Stellungnahme der Fraktion der Freien Bürger Oberkochen zum Haushaltsplan 2016

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
Sehr geehrter Herr Seimetz,
Verehrte Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderates,
Sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger,

in Presse-Artikeln war zu lesen, dass es schlecht um Oberkochens Finanzen steht und wir harten Jahren entgegen steuern.
„Die Zeit ist schlecht? Wohlan. Du bist da, sie besser zu machen.“ sagte Thomas Carlyle, ein schottischer Historiker. Sparen kann man angeblich von Schotten lernen. Diese Eigenschaft wird auch uns Schwaben nachgesagt.

Schlechte Zeiten haben auch etwas Gutes. Sie regen mehr zum kreativen Nachdenken an. Sie bringen Chancen, Festgefahrenes zu überdenken, Bewährtes zu verbessern und scheinbar Alternativloses in Frage zu stellen.

Verwaltungshaushalt

Wir haben dies erfreut während der Haushaltsberatung im vergangenen Dezember festgestellt. Da wurde deutlich, dass der Gemeinderat sich mit dem Verwaltungshaushalt beschäftigen muss! Angemahnt vom Kämmerer und gefordert von den Freien Bürgern – seit Jahren!. In der Vergangenheit stießen wir auf taube Ohren. Oder auf Argumente wie “Das haben wir früher schon gemacht, hat nichts gebracht.”. Wenn von Beginn an jede Position bewährt und alternativlos ist, dann stimmt die Aussage. Mit konventionellen Ansätzen und schachern um wenige kleine Positionen kommen wir aber nicht weiter. Kreativität und auch Mut zu unpopulären Entscheidungen sind gefragt. Die Fraktion der Freien Bürger wird sich in diesem Jahr intensiv mit diesem Thema beschäftigen. Ich bin mir sicher, dass wir damit einen Herzenswunsch unseres Kämmerers erfüllen, der ebenfalls seit Jahren mahnt.

Wenn wir genau nachschauen, sind wir schon auf einem guten – kreativen – Weg. Die Entscheidung, die Aufgaben der Stadtwerke zu erweitern und sie als Bauträger für das Projekt Kronenareal einzusetzen, begrüßen wir ausdrücklich. Nächste Schritte sind die Übertragung und Sanierung der Seniorenwohnungen. Dabei darf es jedoch nicht bleiben. Alle Immobilien und deren Verwaltung können von den Stadtwerken übernommen werden. Das entlastet den Verwaltungshaushalt. Wir sehen überdies in weiteren Maßnahmen, z.B. Übernahme des Facility Managements, noch wesentlich mehr Potential.

Ein nicht unerheblicher Kostenblock sind die extrem gestiegenen Personalkosten. Geschuldet sind sie den gesetzlichen Anforderungen an Kinderbetreuungsplätzen. Wir sind hier Vorreiter – sehr lobenswert – doch zu einem hohen Preis. Ich zitiere einen Presseartikel von Anfang Januar 2016: “Personalkosten schlucken fast gesamte Gewerbesteuer”. Wenn man nur die beiden Positionen gegenüberstellt, ist das richtig. Tatsächlich ist es aber noch gravierender. Fakt ist, dass Kommunen für eine zügige und zeitnahe Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen bestraft werden. Unser Abmangel steigt jährlich um 0,5 Mio. Euro. Die Personalkosten steigen schneller als die Landeszuschüsse. Es gibt sogar Zeiten, da fallen die Landeszuschüsse. Klar ist auch, dass bei weitem nicht alle Kommunen so vorbildlich die Anforderungen umgesetzt haben. Ein fiktives Zahlenspiel: 4 Jahre “Aussitzen” verschiebt die Investitionen zwar nur, spart aber 2 Mio. Euro im Verwaltungshaushalt. Für unseren Haushalt hieße das, ALLE Straßensanierungen im vordringlichen Bedarf wären gedeckt. Für die FBO Fraktion heißt das: Bund und Land müssen hier mehr für die Kommunen tun!

Schule

Nach dem Kindergarten kommt die Schule. Gerade hier warten als Pflichtaufgabe der Stadt gewaltige investive und betriebliche Folgekosten. Da müssen Verwaltung und Gemeinderat tragfähige und zukunftssichere Lösungen finden. Mit diesem äußerst wichtigen Thema werden wir uns intensiv auf der Klausurtagung im Juni beschäftigen. Wir wollen daher dieser Diskussion nicht vorgreifen.

Wohnbebauung

Bezüglich der Wohnbebauung geht es nun auch vorwärts. Mit dem vorderen Spitztal wird ein weiteres großes Gebiet in Angriff genommen, um dem Stillstand im Weingarten entgegenzuwirken. Gibt es da nicht eine Einigung?
Außerdem wird mit der teilweisen Umwidmung des Programmes zur energetischen Sanierung nun auch ein Anreiz geschaffen, Altbestände abzubrechen und neu zu bebauen. Ein wichtiger Schritt, um den endlosen Flächenverbrauch zumindest zu verlangsamen und nicht noch mehr wertvolle Außenbereiche zu verplanen.

Neue Mitte

Das Großprojekt “Neue Mitte” wird uns die nächsten 10-15 Jahre beschäftigen. Der sichtbare Anfang ist mit der Fertigstellung des Wirtschaftsgebäudes der Scherermühle in diesem Jahr gemacht. Mit der Planung geht es weiter und die Freien Bürger stehen zu diesem Projekt. Leider scheint eine Lösung für das Problem, den Schwerlastverkehr aus der Innenstadt zu bekommen, zur Zeit nicht erreichbar. Wir bedauern dies sehr! Die Notwendigkeit bleibt jedoch bestehen, wenn wir die Vision “ Neue Mitte „ ernst nehmen wollen.
Wichtig ist der kontinuierliche Dialog mit ansässigem Gewerbe und der Bevölkerung. Eine hohe Akzeptanz ist der Garant für eine erfolgreiche Umsetzung. Sichtbares wird es vermutlich in den nächsten 2-3 Jahren nicht geben. Die wirklich großen Investitionen sind in der mittelfristigen Finanzplanung aber noch nicht zu sehen.

Langfristige Finanzplanung

Um den Haushalt genehmigungsfähig zu machen, musste die Investitionsplanung angepasst werden. Unter anderem ist das Aquafit aus der mittelfristigen Finanzplanung verschwunden. Nicht verändert hat sich der Zustand des Bades. Ein Spiel mit der Zeit, an deren Ende dann eine Sanierung im Bestand steht? Und als deren Folge der Verwaltungshaushalt noch mehr belastet wird? Wir wollen dem mittelfristig verschwundenen Bad eindeutig mitgeben, dass die Fraktion der Freien Bürger diesen Weg auf keinen Fall unterstützen wird! Keine halben Sachen! Entweder neu mit wirklichen Perspektiven, den Abmangel zu verringern UND den Wert des Bades für ALLE Interessengruppen zu erhöhen bzw. Neue zu erschließen oder Neuorientierung ohne Hallenbad. Es gibt eine umfassende Liste aus unseren Reihen über Synergieeffekte und Verbesserungen, die mit einem Neubau möglich wären und nötig sind!
Noch einen Schritt weiter gedacht steht in naher Zukunft die Ausarbeitung eines Gesamtkonzeptes der Sportstätten gemeinsam mit Vereinen und Schulen auf der Agenda. Thematisiert werden muss insbesondere die Zukunft der Schwörz- und Dreißentalhalle. Anstehende Investitionen, mit denen wir uns rechtzeitig beschäftigen müssen.

Gewerbesteuer

Lassen Sie mich zum Schluss noch auf eine Gegebenheit hinweisen, die in weiten Teilen der Bevölkerung nicht bekannt ist. In der Presse findet sie keine oder kaum Erwähnung. Das Stichwort ist Gewerbesteuereinnahmen. Bei unseren Gewerbesteuereinnahmen kommt so mancher ins grübeln und fragt sich, was denn mit dem vielen Geld passiert. 40 Millionen, 20 Millionen in der Vergangenheit, dieses Jahr nur 7,8 Millionen. Warum klagen Verwaltung und Gemeinderat, dass es an Geld fehlt? Leider wird nie erwähnt, dass den Gewerbesteuereinnahmen auch Ausgaben in Form von Umlagen gegenüberstehen. Gewerbesteuerumlage, Kreis und Land. Die Höhe der Umlagen ergibt sich -vereinfacht- aus der Höhe der Einnahmen. Um es nicht zu einfach zu machen, wird die Mehrzahl der Umlagen zeitversetzt um 2 Jahre quasi in Rechnung gestellt. So wird zum Beispiel die Umlage für die Einnahmen aus 2014 im Jahre 2016 verrechnet. In einer Kommune mit relativ gleichmäßigen Gewerbesteuerzahlungen spielt das keine so große Rolle. In Oberkochen haben wir aber sehr hohe Schwankungen. In den letzten 8 Jahren lag die Bandbreite zwischen 2,4 Mio €. und 40,1 Mio €!
In einer Periode kontinuierlich sinkender Gewerbesteuereinnahmen wie im Augenblick ist die Konsequenz das Verringern des wirklich verfügbaren Betrages. Im schlechtesten Fall werden mehr Umlagen abgeführt als Gewerbesteuereinnahmen vorhanden sind. Daher müssen immer Rücklagen gebildet werden. Zumindest in der Höhe der zu erwartenden Umlage. Die Höhe der zu erwartenden Umlage liegt bei 70-80 Prozent der Gewerbe-steuereinnahmen! In Zahlen: Seit 2010 hatten wir Gewerbesteuereinnahmen von 130,5 Mio €. Im gleichen Zeitraum wurden über Umlagen 112,6 Mio € abgeführt. Es standen uns in diesem Zeitraum effektiv 21,5 Mio Euro zur Verfügung. Im Durchschnitt also 3,6 Mio. pro Jahr.

Das zeigt uns, dass mit Vergleichen, die aus dem Zusammenhang genommen werden, beliebig positive oder negative Stimmung erzielt werden kann. Positives Beispiel? So schlecht steht der Verwaltungshaushalt eigentlich nicht da. Lässt man die kalkulatorischen Kosten, die Abschreibungen und die durchlaufenden Posten außer Acht und rechnet man Gewerbesteuereinnahmen und Umlagen komplett raus, ergeben sich Ausgaben in Höhe von 8 Mio € und Einnahmen von 8,1 Mio €. Vorsicht bei Zahlen!

Fazit: Es ist wichtig, der Bevölkerung immer wieder bewusst zu machen, dass 70-80 Prozent der Gewerbesteuer für Oberkochen gar nicht verfügbar sind. Und vielleicht wird durch meine Ausführungen deutlich, warum die Freien Bürger es als wichtig erachten, Landeszuschüsse für Projekte zu erhalten. Auch wenn dadurch Planungen angepasst werden müssen. So bekommen wir einen Teil der Umlagen wieder zurück.

Antrag

Der Haushaltsrahmen für das Jahr 2016 ist eng und bereits voll ausgefüllt. Deshalb gibt es von der Fraktion der Freien Bürger heute nur einen bekannten, primär kostenneutralen Antrag mit Bezug zum Verwaltungshaushalt: Bildung einer Haushaltsstruktur-Kommission zur mittel- und langfristigen Entlastung des Verwaltungshaushalt. Die Kommission soll noch VOR der Klausurtagung Ihre Arbeit aufnehmen.

Für die Arbeit und den Einsatz im vergangenen Jahr und für das mutige und kraftvolle Anpacken der Aufgaben in Zukunft danken wir auch allen direkt und indirekt Beteiligten in Verwaltung und Betrieben der Stadt Oberkochen. Wir bedanken uns bei unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern für Ihr Interesse und Engagement in allen Bereichen. Ebenso bei allen ortsansässigen Betrieben, Firmen sowie allen Steuerzahlern für ihre, oftmals über die gesetzlichen Abgaben hinaus gehende, Unterstützung zum Wohl unserer gemeinsamen Stadt Oberkochen.

Ihnen sehr geehrter Herr Bürgermeister Traub und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wünschen wir weiterhin die nötige Weitsicht und viel Glück sowie Erfolg bei allen Entscheidungen und täglichen Herausforderungen.

Die Fraktion der Freien Bürger Oberkochen stimmt dem Haushaltsplan 2016 in der vorliegenden Fassung einstimmig zu.

Bernd Kresse
Fraktionsvorsitzender

Antrag der Fraktion der Freien Bürger Oberkochen zur Bildung einer Haushaltsstruktur-Kommission vom 25.01.2016:

Die Fraktion der Freien Bürger Oberkochen beantragen die Bildung einer Haushaltsstruktur-Kommission zur mittel- und langfristigen Entlastung des Verwaltungshaushaltes. Die Kommission soll vor der Klausurtagung die Arbeit aufnehmen.

Hintergrund: Jahrelang wird bereits seitens der Verwaltung selbst durch den Kämmerer Herrn Seimetz und auch von der Fraktion der Freien Bürger auf ein strukturelles Problem im Verwaltungshaushalt hingewiesen. Alleiniges Hinweisen behebt dieses Problem jedoch nicht. Von einer paritätisch besetzten Kommission erwarten wir neben der Analyse auch die Ausarbeitung von konkreten Maßnahmen, die den Haushalt nachhaltig entlasten. Als bereits praktiziertes Beispiel sei hier nur die Erweiterung der Aufgabenbereiche der Stadtwerke genannt.

Für die Fraktion der Freien Bürger

Bernd Kresse

Fraktionsvorsitzender